Er ist das geheime Erkennungszeichen unter europäischen Nerds auf Campingplätzen, beim Getränkehändler und im Hörsaal. Er spaltet oft die Community, führte in der Vergangenheit oft zu langen Schlangen und stellt für viele Hacker den einzigen Zustrom in die Garderobe dar: Der Congress-Merch.

Die wildesten Hot-Takes zum Merch im zeitlichen Umfeld der Veranstaltung beginnen meist mit “Warum machen die eigentlich nicht einfach …” und die Antworten darauf erschließen sich selten, ohne so eine Produktion selbst durchgerockt zu haben. Daher wollen wir hier einen kleinen Einblick in Beweggründe, Sachzwänge und Erlebnisse geben und ein bisschen in die Kalkulation schmulen lassen.

Zuerst mal die nackten Zahlen zum 37C3, um die Größenordnungen zu verdeutlichen: Wir gaben 11.392 Textilien in den Druck (inklusive Engel-Shirts). Die Lieferung kommt auf 19 Europaletten an und unsere Druckerei des Vertrauens ist rund zwei Wochen (mitten in der Vorweihnachtszeit) damit beschäftigt, unsere Bestellung durch ihre Pressen zu ziehen. Wenn wir alle Stücke verkaufen, kann das der Projektleitung die Finanzierung weiterer geiler Projekte und Nerdherzen höher hüpfen lassender Kinkerlitzchen erlauben.

Doch eine solche Kalkulation aufzustellen, ist ein komplexes Stück Arbeit: Wir wollen ja nicht versuchen, aus unserer Community das Maximum an Gewinn herauszukitzeln, sondern Erinnerungsstücke für uns alle an das für einige Teilnehmerinnen sinnstiftendste Event ihres Lebens bereitstellen. Natürlich sollten die Produkte dabei von einer Qualität sein, die auch (ein Blick in den Kleiderschrank bestätigt das) noch in zwanzig Jahren liebevollen Rückblick auf die früheren Congresse erlaubt. Dazu legen wir noch wert auf fair produzierte Rohwaren und eine einheimische Druckerei, die mit den Mitarbeiterinnen korrekt umgeht.

Wie oben schon angedeutet, sind die Congress-Shirts einer der Wege für Menschen mit ein bisschen mehr finanziellem Spielraum, die Organisation des Events für alle Menschen querzufinanzieren, denen das Geld nicht so locker sitzt: Da der Congress traditionell hart an der grünen Null gefahren wird, hilft jeder Euro aus dem Merch-Verkauf auch tatsächlich dabei, das Risiko in der Gesamtkalkulation zu reduzieren.

Wie ihr wahrscheinlich auf den Veranstaltungen der letzten Jahre bemerkt habt, war die Ware dann irgendwann alle. Daher bildetet ihr vor dem Congress-Shirt-Tresen Schlangen, um nicht am Ende vor leeren Regalen zu stehen. Kapitalistische Logik würde hier ein einfaches Vorgehen vorschlagen: Schlicht mehr produzieren und das Risiko durch einen Aufpreis abfedern. Oder gar einen der großen T-Shirt-Drucker beauftragen, noch zwischen den Congressen irgendwo in gammeligen Webshops nachproduzierte Ware feilzuhalten.

Das Problem hierbei ist einerseits, dass wir keine Lust haben, auf Halde zu produzieren und später Textilien zu vernichten. Ein Congress-Shirt ist auch ein Congress-Shirt und keine von Hinz und Kunz im Nachhinein bestellbare Fan-Ware. Zudem wollen wir auch vermeiden, Eure Daten fremde Hände zu geben, haben zwischen den Congressen keine Engelschichten zu vergeben und müssten trotzdem alle nicht ausgegebene Ware irgendwo aufbewahren. Unser Logistik-Team ist nur mäßig begeistert, wenn es mehrere Europaletten voll Klamotten einlagern müsste, diese müssten dann für die (meist im Winter in einer kalten Lagerhalle stattfindenden) Inventuren auch noch frei zugänglich sein. Also optimieren wir den Einkauf regelmäßig in Richtung kompletten Abverkaufs.

Auf den Veranstaltungen hattet ihr wahrscheinlich mit den freundlichen Heldinnen des Fashion Operation Center – c3foc – zu tun, die rechnerisch in den siebzig Stunden des 37C3 pro Minute vier Textilien herausgeben müssen. Darunter fällt natürlich auch das Raussuchen der richtigen Größe, Sortieren und Inventarisieren, Bezahlen oder Auspiepen, Anpassen der Bestände unter c3foc.net, das Warten auf Anprobieren, Behandeln von Umtauschbitten und die individuelle Stilberatung. Und während wir alle am Ausgabe-Stand große Freunde einer großen und bunten Produkt-Matrix sind, bedeutet jede neue Farbe oder jedes neue Motiv auch meist zwei Warentypen (fitted und straight) zu jeweils einem Dutzend neuer Produkttypengrößen von XXS bis 5XL mit dem größten Abverkaufs-Risiko bei den Rändern der Glockenkurve.

Womit wir gleich beim nächsten Problem wären: In der Vergangenheit war die Bestimmung der liebevoll “Plauzenkurve” genannten Größenverteilung im Einkauf ein schwer zu kalkulierendes Unterfangen: Wenn man auf einer Veranstaltung alle Textilien abverkauft hat, weiß man für keine der Größen, wieviel Bedarf tatsächlich bestanden hätte. Auch das heimliche Spicken bei den Bedarfen aus dem Engelsystem und dem zum Camp 2023 eingeführten Vorverkauf half nur ein wenig: Auch wenn Engel regelmäßig rund 15 % der Teilnehmerinnen ausmachen, sind auch dort bestimmte Biases für eine Textil-Größe nicht ausgeschlossen und auch im Vorverkauf ist die Wahrscheinlichkeit nicht gering, dass gerade Menschen mit Größen an den Extrema der Palette häufiger zum Sichern des Textils zulangen als Teilnehmerinnen mit Durchschnittskörpern – was eine Extrapolation weiter erschwert.

Der neue Vorverkauf brachte neben den offensichtlichen Vorteilen für Euch – wie mehr freies Bargeld auf dem Gelände, garantierte Verfügbarkeit Eurer Größe und mehr Ruhe beim Abholen – und Vorteilen für uns — wie Geld auf dem Konto schon zum Wareneinkauf, weniger Bargeld-Handling und eine Hilfe beim Abschätzen, welche Motive, Textilien und Größen am gefragtesten sind – auch einen ganzen Batzen Probleme: Für das Fernabsatzgesetz ist ein Online-Kauf mit Selbstabholen ein sehr unüblicher Fall, und plötzlich führen bei der Druckerei bestellte aber nicht gelieferte Waren nicht mehr nur zu einem “ausverkauft – sorry”, sondern ziehen Storno- und Rückzahlungsprozesse nach sich. Und natürlich müssen auch die c3foc-Engel die vorbestellte Ware extra vorsortieren, Komplexität die wir auf dem Camp schmerzvoll erlernen mussten. Alles in allem ist Vorverkauf jedoch ein Gewinn und wir werden die Prozesse weiter verbessern.

So es die Zeit erlaubt, produzieren wir neben den Klassikern wie T-Shirts, Hoodies und Zippern ab und zu noch extra-Goodies, wie zuletzt auf dem Camp die formschönen Anhalter-ge-theme-ten Sporthandtücher, da diese selbst wenn sie sich als Ladenhüter erwiesen hätten, nur in einer Größe daherkommen und schnell in einer einzelnen Kiste verschwinden. (Auf dem 37C3 werden wir die letzten paar zum Verkauf anbieten.) Zum 25C3 haben wir auch Kleider im Congress-Design produziert, wir hatten in anderen Jahren Mützen und Regenjacken im Angebot und auch in Zukunft wollen wir wieder all jenen ein Angebot machen, die mit Parolenkluft am Körper wenig anfangen können, lieber Hemden tragen als Hoodies oder Größen brauchen, die wir nicht in jedem Jahr einfach bevorraten können. Auf Nachfrage geben wir auch gerne die Druckdaten heraus – solange damit keine Konkurrenzshops betrieben werden. Und wir halten natürlich die Ohren für weitere Ideen aus der Community offen. Schreibt einfach an [email protected].

Und wenn ihr auf dem 37C3 mit dem c3foc zu tun habt, erinnert ihr euch vielleicht an diesen Text und daran, welche durch die schiere Großveranstaltungs-Maße allein verursachten komplexen Probleme eine handvoll Freiwilliger stemmen, gebt ein Lächeln zurück und geht bei Verzögerungen im Betriebsablauf davon aus, dass euch niemand abziehen oder übervorteilen will. Und freut euch auch in zwanzig Jahren noch beim Blick in den Kleiderschrank!

Image by Thorsten Schröder CC BY-SA 2.0